Fabriksfeuerwehr Hanebeck

Heute bezeichnet man die Fabrik- und Werkfeuerwehren als Betriebsfeuerwehren. Während diese Einrichtungen in den Industriezonen unseres Landes, vor allem in Wien und den Randbezirken keine Seltenheit darstellen und auch örtlich zugewiesene Einsatzbereiche besitzen, so sind sie doch im Waldviertel eher als Exoten zu betrachten.

Als 1901 die Nadelfabrik Hanebeck im sogenannten Ortsteil „Neu-Zitternberg“ errichtet wurde, erkannte der Firmeninhaber vermutlich im selben Jahr die Notwendigkeit eines umfangreichen Brandschutzes in einer Ortschaft ohne Feuerwehr. Nur die Feuerwehren Gars am Kamp und Maiersch bestanden zu dieser in Zeit in der näheren Umgebung und konnten für damalige Verhältnisse relativ rasch in der Fabrik erscheinen.


Die Nadelfabrik ersichtlich am rechten Bildrand. Ebenfalls ersichtlich die Häuser der Thunauer Schimmelsprunggasse (vorne) sowie Zitternberg entlang der Kamptalstraße.

Die Ausrüstung der damaligen Feuerwehren, die durch die Bank recht spärlich im Gegensatz zu heute ausfiel, war in einem Schuppen auf der kleinen Halbinsel am Kamp untergebracht, der den Mühlbach vom Kamp trennt. Die Insel ist heute noch erhalten und erhielt während des Zweiten Weltkrieges eine unrühmliche Aufgabe: Kriegsgefangene die in der Firma Arbeitsdienst zu verrichten hatten waren dort in armseligen Baracken untergebracht.

Es gibt keine archivierten Unterlagen über diese Feuerwehr, als einzige Stütze können Tages- und Wochenzeitungen herangezogen werden die über Brände berichteten an welchen die Fabrikfeuerwehr teilnahm. Als gesichert kann die Tatsache betrachtet werden, dass Emil Hanebeck während des gesamten Bestehens der Fabrikfeuerwehr ihr als Feuerwehrhauptmann vorstand. Über einen Stellvertreter oder Chargen finden sich ebenfalls keine Aufzeichnungen. Die Fabrikfeuerwehr dürfte auch nicht dem Bezirks- oder Landesverband angehört haben, obwohl dies rein rechtlich möglich gewesen wäre, da sich in den zeitgenössischen Fachzeitschriften kein einziger Eintrag findet.

Aber warum leistet sich jemand den Luxus einer eigenen Feuerwehr? Zur damaligen Zeit gab es ja keine modernen Kommunikationslösungen im heutigen Sinn. Das Telefon gab es schon einige Jahrzehnte aber die breite Masse hatte keinen Anschluss dazu. Mobilfunkgeräte, E-Mail oder Funkverkehr unvorstellbar! Deshalb musste im Falle eines Brandes erst ein oder mehrere Boten entsandt werden die, die umliegenden Feuerwehren alarmierten. Hatte der Bote ein Rad oder ein Pferd gings etwas schneller als bei denjenigen die zu Fuß unterwegs waren. War die Feuerwehr erst einmal alarmiert, rückte diese eher langsam, begründet durch wenige, vor allem aber schlechte Straßen, auf ihren Pferdefuhrwerken an um den Brand eventuell bekämpfen zu können. War die Feuerwehr nun da, begannen die Männer mit Muskelkraft Wasser bis zum Strahlrohr zu pumpen denn motorisierte Spritzen kamen in unserem Breitengraden erst in der Zwischenkriegszeit auf. Meisten musste man sich darauf konzentrieren dass die Nachbarobjekte nicht ebenfalls Feuer fingen, das Brandobjekt an sich war meistens verloren.

Soviel zum Feuer, aber was geschah mit den Mitarbeitern oder gar dem Besitzer einer Firma wenn diese abgebrannt war? Versicherungen haben zwar bestanden, reichten aber bei weitem nicht aus um alles abdecken zu können. Die Arbeiter waren nach einem großen Brand schlagartig arbeitslos denn eine sogenannte Betriebsausfallsversicherung, die den Lohn der Arbeiter hätte garantieren sollen, gab es nicht einmal ansatzweise, geschweige denn dass es sich jemand hätte leisten können!
Was haben die Industriellen daraus gelernt? Richtig! Eine eigene Feuerwehr zu gründen!

Nicht nur bei Einsätzen, sondern auch am alltäglichen Leben nahm die Fabrikfeuerwehr Anteil. So berichtete die „Österreichische Landzeitung – Waldviertler Nachrichten“ in ihrer Ausgabe vom 29. August 1908 darüber, dass die Fabrikfeuerwehr, neben den Feuerwehren Gars am Kamp, Buchberg am Kamp, Maiersch und Nonndorf am Begräbnis von Karl Scherney aus Thunau am Kamp ausgerückt ist. Scherney stürzte bei Reparaturarbeiten an einem Brunnen 30 m in die Tiefe. Seine Leiche wurde von der Feuerwehr Gars geborgen.

1909 erfolgte ein Gesuch von Emil Hanebeck, die Fabrik- in die Freiwillige Feuerwehr Gars am Kamp eingliedern zu lassen. Das Protokollbuch der FF Gars am Kamp zeigt folgenden Eintrag: „Das Ansuchen des Herrn Emil Hanebeck aus Zitternberg im Jahre 1909 wegen Angliederung von seinen Leuten an die hiesige Feuerwehr wurde dahin beantwortet, daß derselbe zunächst zu einer Besprechung eingeladen wird.“
Für eine Zusammenlegung konnten keine Beweise, geschweige denn eine Begründung gefunden werden.

Einige Informationen, heute von unschätzbarem Wert, konnten aber aus gesicherten Quellen erforscht werden:
Am 5. August 1905 berichteten die „Waldviertler Nachrichten“ in der „Oesterreichischen Land-Zeitung“ wie folgt:

„Thunau bei Gars (Blitzschlag).
Die Nacht vom 31. Juli auf den 1. August wird den Bewohnern von Thunau, wie auch den hier weilenden zahlreichen Sommerfrischlern als Schreckensnacht nicht sobald aus dem Gedächtnisse entschwinden. Nach mehreren Tagen qualvoller Hitze ballten und türmten sich die Wolken auf, und von ca. 11 Uhr nachts bis 6 Uhr früh löste ein schweres Gewitter das andere ab. Um 12 Uhr nachts schlug der Blitz ins Haus des Herrn Sylvester Weiß, Unter-Thunau Nr. 35, zündete, und sofort standen Haus und Schupfe in Flammen. Im Hause wohnten drei Sommerparteien, die teilweise durch die Fenster flüchteten. Die Gefahr für die Nebengebäude war sehr groß. Villenbesitzer Herr Völkl aus Thunau, die Feuerwehr der Nadelfabrik Hanebeck in Zitternberg, die Garser Marktfeuerwehr und die rastlos arbeitende Ortsbewohnerschaft bekämpften mit Erfolg den großen Feuerherd, sodass der Brand lokalisiert werden konnte.

Danksagung. Die gefertigte Gemeindevertretung spricht hiermit für die rasche Hilfe bei dem infolge Blitzschlages entstandenen Brande in der Gemeinde Thunau dem Herrn Fabriksbesitzer Hannebeck [sic] samt seinem Personale, dem Villenbesitzer Herrn Völkl sowie der freiwilligen Feuerwehr von Gars den besten Dank aus. Thunau am 2. August 1905. Für die Gemeindevertretung Thunau am Kamp: S. Obenaus und J. Galbrunner, Gemeinderäte“

Die selbe Wochenzeitung berichtet auch am 21. September 1905 über die Fabriksfeuerwehr Hanebeck:

Gars. (Keine Pferde für die Spritze).
In dem Artikel Ihres Blattes vom 14. ds. ist anläßlich des Brandes im Tautendorferamt irrtümlich die Feuerwehr Gars als am Brandplatze erschienen angeführt. Dieselbe war jedoch nicht anwesend, sondern die Spritze der Nadelfabrik Zitternberg bei Gars…“

Am 4. Dezember 1905 entstand in der Mühle des Wilhelm List in Manigfall ein Brand, der das Mühlgebäude samt allen Maschinen vernichtete. Das Wohngebäude wurde durch die Feuerwehr von Gars und die Fabriksfeuerwehr von Zitternberg noch gerettet.
Anmerkung: Die Rotte Manigfall war bis in die 1920-er Jahre eine kleine Siedlung zwischen Gars am Kamp und Kamegg mit Zugehörigkeit zu Kamegg. In den 1920-ern erfolgte die Eingemeindung nach Gars am Kamp. Heute erinnert ein Straßenname an die ehemalige Siedlung.

Am 2. April 1911 brach in der Nachbarortschaft Maiersch ein Brand in einem landwirtschaftlichen Objekt aus. Das Feuer zerstörte neben dem Stadel inkl. aller sich darin befindlicher Maschinen auch ein Presshaus und tötete 13 Schweine. Die Fabriksfeuerwehr war neben der örtlich zuständigen FF Maiersch und den Feuerwehren Nonndorf, Gars am Kamp, Buchberg am Kamp, Tautendorf, Plank am Kamp und Freischling im Einsatz.

Am 19. April 1911 wurde das 20 km entfernt gelegene Langenlois Opfer einer absoluten Brandkatastrophe. Gegen 14 Uhr brach in der Zwettlerstraße ein Brand aus, der sich aufgrund herrschendem Wind rasch auf die umliegenden Häuser und Nebengebäude ausbreitete. Der Hilferuf der Langenloiser Bevölkerung drang auch bis nach Gars am Kamp. Die FF Gars rückte mit der erst kürzlich erworbenen Dampfspritze nach Langenlois aus. Ob auch die Fabrikfeuerwehr ausgerückt ist, ist nicht klar, aber Fabriksbesitzer Hanebeck lenkte die Dampfspritze der Garser durch das Kamptal Richtung Langenlois.
Dem Brand fielen 18 Wohnhäuser und ca. 50 Nebengebäude zum Opfer. Unzählige landwirtschaftliche Maschinen und Gerätschaften sowie Nutztiere verbrannten. Dem Brand fiel auch ein Menschenleben zum Opfer. Beim Rettungsversuch der eigenen Habe verbrannte eine 83-jährige Einwohnerin. Die Zahl der Verletzten, Bewohner wie Feuerwehrleute, ist nicht genau überliefert, berichtet wird aber davon dass die Rettungsabteilungen alle Hände voll zu tun hatten.

Am 4. August 1911 brach im Haus des Gemeindevorstehers Hofbauer in Maiersch ein Feuer aus. Die Brandbekämpfung erfolgte durch die Feuerwehren Maiersch, Freischling, Gars am Kamp und Nadelfabrik Zitternberg.

Beim Wirtschaftsbesitzer Herzig in Maiersch brach in den Nachmittagsstunden des 9 Juli 1912 ein Feuer aus. Die Feuerwehren von Maiersch, Plank, Freischling, Buchberg, Zitternberg und Gars erschienen am Einsatzort. Der angerichtete Schaden beläuft sich auf den abgebrannten Dachstuhl und auf eben abgeerntetes Heu.

In der Scheune des Grünzeughändlers Johann Geidosch in Zitternberg brach am 2. April 1913 um 02.30 Uhr früh ein Brand aus. Die stark gefährdeten Nachbarobjekte wurden dank der Hilfe von Seite der Ortsbewohner und der Fabriksfeuerwehr gerettet.

Ein Eintrag in der Eggenburger Zeitung von 1921 berichtet über einen Brand in der Nadelfabrik. Die eigene Fabriksfeuerwehr wird wahrscheinlich ausgerückt sein, wer noch am Einsatz beteiligt war, ist aus dem Bericht nicht herauszulesen.


Genauso verschwommen wie diese Feuerwehr auf der Bildfläche auftaucht, verschwindet sie auch wieder. Vermutlich Anfang 1928 aufgelöst, wurde sie durch die eben erst gegründete Freiwillige Feuerwehr Zitternberg abgelöst. Was mit den Einsatzgerätschaften passierte ist absolut unklar, denn die FF Zitternberg musste sich alles erst erkaufen. Weiters interessant, und ebenfalls nicht mehr nachzuvollziehen ist, wie viele Mitglieder der FF Zitternberg bereits in der Fabrikfeuerwehr tätig waren oder umgekehrt, wer war in der Fabrik Feuerwehrmann aber später nicht mehr bei den Freiwilligen?

Emil Hanebeck, wurde mit der Lebensrettungsmedaille des Erzherzogtums Österreichs unter der Enns (heute Niederösterreich) sowie mit dem Titel Kommerzialrat ausgezeichnet.
Die Freiwillige Feuerwehr Zitternberg ernannte ihn gemeinsam mit seiner Gattin 1936 zu Ehrenmitgliedern der FF Zitternberg da beide um die Gründung der FF Zitternberg große Verdienste geleistet hatten.


Quellenangabe:

Christine Steininger und Bernhard Grünsteidl: „Zitternberg. Spurensuche im Kamptal“ (Verschönerungsverein Zitternberg 2017). 368 Seiten. Illustrationen, Faksimiles, Karten. ISBN 978-3-85028-801-9.

Bernhard Grünsteidl: Auszüge aus der Wochenzeitung „Oesterreichische Land-Zeitung – Waldviertler Nachrichten“ im Bereich des Bezirksfeuerwehrverbandes Horn 1903 – 1918 (Eigenverlag). 32 Seiten.

Bernhard Grünsteidl: Auszüge aus der Verbandszeitschrift „Mittheilungen des n.-öst. Landes-Feuerwehr-Verbandes“ im Bereich des Bezirksfeuerwehrverbandes Horn 1886- 1914 (Eigenverlag). 34 Seiten.

Freiwillige Feuerwehr Gars am Kamp. Protokollbücher 1905 und 1909

Aufzeichnungen der Marktgemeinde Gars am Kamp

Eggenburger Zeitung vom 12. Juli 1912 und 4. April 1913